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 Sehnsucht
 
 
 Zu pflanzen meine Sehnsucht in Deinem Torf
 Mein Herz zieht Wurzeln aus Deiner Sehnsucht
 Tränke sie mit Deinen schreienden Tränen
 Schöpfe Nahrung aus Deinem Tränenteich
 
 Hoffnung wächst wie ein feiner Trieb
 mit zarten Spitzen Dein Schmerz verziehen
 Mal mir mit Deinen Schmerzen Muster auf
 Zeichne mich wie es mit mir geschah
 
 Ich stehe still wie ein Föhrenstamm
 wie Akazien in trockener Wüste
 Du kommst wie ein Regen
 in mein Leben hinein
 
 Schütte Deine Leiden in meinen Wüstenteich
 daß ich blühen wie die Wiese kann
 Schirmen werde ich Deine Ranken
 blickst Du mich mit Deinen Tränen an
 
 
 
    
 
 Am Fluß
 
 
 Am Fluß lief ich meinen Weg. Eine Zeit
 fuhren große Schiffe darin. Ich war
 der Kapitän, trotzte den Wellen
 und erreichte wieder das Land.
 
 Der Fluß fließt nicht mehr zu meinen Füßen. Berge
 umgeben mich und die Höhn, die trockenen.
 Zum Fluß kann ich wohl noch gehen, nur
 meine Schiffe fahren nicht mehr.
 
 Blaue Herbstluft lebt in meinem Atem,
 in meiner Erinnerung. Wein aus Kastanien
 und das Krachen der Nüsse, Maiskolben
 im Feuer
 
 Laub weht um meine Füße
 Gelbe Zweige peitschen in mein Gesicht
 Trocken liegt der Inn, meine Füße
 finden das Gesicht im Naß
 
 Ich fließe darin und die Zeit fließt
 wie ein Fluß. Treibt mich zum Strom,
 zum Meer. Da komme ich her
 und es lebt heut in mir wie der Fluß
 
 
 
    
 
 Schwarze Scherben
 
 
 Schwarze Scherben
 rotieren in meiner Hand
 denen jemand Farbe gab
 Ich sprenge das Puzzle
 füge es neu
 In meinem Kopf versammelt
 alle Notwendigkeiten
 Schneller als ich selbst zu sein
 Ich goß es in eine neue Form
 Nun verläßt mich mein Kind
 Es strebt nach Papier und Leim
 Und Deinen Händen
 Daß Deine Ruhe zerstört werde
 wie vordem meine
 
 
 
    
 
 Reif der Wein
 
 
 Reif der Wein im gelben Laub
 Nebel stäubt über den Main
 Geniesel läßt die Steine duften
 Gras aromatisiert zu Heu
 Der braune Fluß spiegelt den Himmel
 Bleich im Glatt des Ods
 Weinbergmauern rücken näher
 schon das Parfume des Mörtels
 Erdiger Staub
 Die süße Beere begehrt
 von Staren in Netzen
 Schreib ich über Wege
 in den Weinstöcken
 
 
 
    
 
 Taube
 
 
 Taube Deine Stimme
 verloren in den Erkern
 des Doms
 Taube Deine Flügel
 flogen solange schon
 davon
 Taube Deine Feder
 halt ich in meiner Hand
 Ich höre Dich bald wieder
 Wenn Du geflogen kommst
 
 
 
    
 
 Treppe zur toten Fähre
 
 
 Schlammbacken Betonspuren
 in den Inn
 Wie ein Kissen walzt Sand
 über die Stufen
 Erklimmt das Ufer
 Still das Ufer
 Meine Augen gleiten
 mit dem Wasser
 hebe ich den Blick
 rutscht das Ufer weg
 Eine Fähre glitt einstmal
 - am Stahlseil -
 hinüber auf das Blaufeld
 Nun verlassen keine Füße mehr
 den Jadefluß
 Es sei denn
 einer geht hinein
 
 
 
    
 
 Glacis
 
 
 Licht springt
 über Silberglöckchen
 Triangeln erblinken
 im Sommerlaub
 Ein leises Becken
 tschiiingt
 über den Sandweg
 Kirchenglockengleich
 erheben sich
 die Schirme der Bäume
 Wolkenschatten
 rauschen über uns
 wie auf einem
 hölzern Xylophon
 Mein Bein-Metronom
 steuert mich im Takt
 durch den Park
 
 
 
    
 
 Mittsommernacht
 
 
 Loh die Spitzen Kirche im Sonnensturm
 Turm zwie im Türkis Wolkengrünsaum
 Sterne von weißen Drachen verschlungen
 Der Mond im Säbel zunehmend im Schwund
 
 des Lichts eines Sommernachtstraums
 Johannistriebe zirkulär im Jahreszentrum
 haltlos ohne Frühlingsbrand geschwungen
 Frühling küßt den Sommer mit Honigmund
 
 
 
    
 
 Florfliege am Main
 
 
 Myriaden Fliegen im Neonlicht
 Flatternde Flocken mittbrücks
 Atemdichte Federwand flugs fliegt´s
 Hochzeittanz im Mondenschein
 
 
 
    
 
 Herbst
 
 
 Still steht die Luft
 am Wasserquell
 Klar die Kaskade
 im schwindenden Licht
 
 Hält mich der Herbst
 in Händen wie ein Kelch
 leere ich die Quelle'
 Zug um Zug
 
 nehme mit jedem Schluck
 das Grüne
 das Braune
 in der Winterwandlung
 an, an
 
 
 
    
 
 So grau
 
 
 So grau der Himmel
 über den Weiden grünfahl
 So blau die Lücken
 im Wolkengeball
 
 Gelb riecht der Weizen
 mit Grannen im Haar
 Unkraut dunkelblau
 Brombeere im Stahl
 
 Im Fluß die Welle
 faßt mich in das Brückentor
 Als Kahn
 stoße ich da durch
 
 Reite mit den Enten
 in der Grünschlickbucht
 Die Muscheln klappen
 den Fluß auf und zu
 
 Ich nehme sie mit.
 
 
 
    
 
 Weg nach Erlabrunn
 
 
 Der Rhabarber stößt sauer mir auf
 bin acht Jahre auf dem Weg nach Haus
 wälze mein Rad durch Schlammpfützen wie Teiche
 leere Johannisbeersträucher im Durst
 
 Rauschend begleiten mich Pappeln am Fluß
 Wurzeln brechen den Weg und mein Rad
 Quitten stechen grüngelb ins Jungenaug
 noch spannt keine Brücke die Flußau
 
 Ich bin acht Jahre und auf dem Weg nach Haus
 fort von zuhaus und komme spät zurück
 Finde auf zwei Balkonen meinen Vater
 und sehe ihn nicht
 
 
 
    
 
 Inn-Drache
 
 
 Sand verschließt die Bachwunde,
 der noch ehrgeizig in den Inn drängt
 Stufengleich geschichtet
 steigt das graue Zeug bis an die Weide,
 Weide, die den Inn geküßt
 
 Der Bach mag der Schwanz sein,
 den der Jadedrache noch besitzt
 Früher schlug er damit in die Stadt
 In Geschäfte und Häuser, an deren Stein
 zu lesen, wie hoch er eingedrungen ist
 
 Auf der Dammkrone führt ein Weg
 um die Stadt herum
 geschmiegt in den Inn,
 denn ihre Liebe bleibt bestehen
 
 Das ledrige Ufergras kleidet die Stadt
 grün wie die Bäume, Spuren gehen hinab,
 hinab auf Sand zu Kies. Sie rollten einst
 wie Mühlsteine um die Stadt
 
 Die Stadt, die vom Inn und Salz gelebet hat
 
 
 
    
 
 Rose
 
 
 Rose, Du sprießt im Granit,
 an Dir strahlt die Sonne blendauf
 leuchtest im Blütenrot
 nimm das letzte Abendrot,
 letzte Wärme in die Nacht hinein
 Die Morgensonne wird Dich finden
 Rose, am Granit schimmernd ein letztes Blatt
 im Glimmer, verglommenes Rosenglühen
 
 
 
    
 
 Nachts
 
 
 Mein Kopf rauschte durch die Nacht.
 Das weiße Zeug spann und verwob sich
 mit meinen Träumen.
 
 Nachts um zwei wachte ich auf und hörte
 das Rauschen noch viel deutlicher.
 Die Nacht war schwül, ich war nicht am Meer.
 
 Der Mond war voll, er hatte mich geweckt wie
 immer in diesem Stadium, Selene,
 er füllte meinen Kopf mit Bildern und Geschichten.
 
 Da stand ich auf und trat ans Fenster, um am
 Hügel, keine zwei Kilometer weg, eine Kette von
 Lichtern, klein, quadratisch, zu sehen.
 
 Das Rauschen wurde deutlicher, die Eisenraupe
 auf ihren Stahlfüßen war in meinen Traum eingedrungen.
 Ich blieb noch zwei Stunden wach.
 
 
 
    
 
 Was bewegt mich
 
 
 Was bewegt mich
 daß es mich jetzt
 nicht bewegt
 Ich möchte
 es bewegen
 es legt sich
 wie Blei
 über meine Augen
 schließe sie
 dann bleibt
 die Zeit stehen
 
 
 
    
 
 Kein Wein wie in diesem Jahr
 
 
 Raben schwarze Wand
 über dem Gold und Gelb
 des Weinackers
 süß gewildert die gülden Reben
 
 Rippen stehen leer
 vor dem gescheckten Blatt
 Geschmackt die letzte Beere
 Kein Wein in diesem Jahr
 
 Nicht von diesem Berg
 Geerntet werden leere Hoffnungen
 einer erntelosen Zeit.
 Kein Wein wie in diesem Jahr.
 
 
 
    
 
 Leben
 
 
 Leere den Pokal
 Der Pokal
 fällt zu Boden
 
 Von dort fahren Wunder
 in Dein Aug
 Sieh sie schimmern
 
 in den Edelsteinen
 im Dukatengold
 des Lebens
 
 
 
    
 
 Wasser
 
 
 Wasser blättert über weißen Kies
 Bachkraut begleitet die Wege
 Bachgras breitet sein Vlies
 unter stetig schwingenden Wellen
 
 in weißer spritzender Schnelle
 über steingehobelte Felsenbank
 tritt gurgelnd über die Schwelle
 in einen See blau und blank
 
 verfängt sich in Seerosengerank
 scheint die weiße gleißend Helle
 auf der langgezognen Uferbank
 von reingewaschenem Kies
 
 
 
    
 
 Der Wasserläufer
 
 
 Aus meiner Mitte
 verstehe ich nicht
 Euch nicht
 andere nicht
 
 Ich bin so viel Angst
 ihr seid so viel Fremd
 Alles Groß, in mir
 das Kleine.
 
 Meine Stimme
 nicht so laut
 leise vor Scheu
 nicht fest
 
 Mein Blick im Baum
 im Quell, im Fluß
 Kraft daraus
 in meine Seele
 
 Verwirrung
 wo ihr seid
 Klarheit
 wo ich sehe
 
 Verirrung
 Leid von mir
 Leid von Euch
 aber warum?
 
 Sprecht nicht.
 Lauscht.
 Vielleicht hört ihr
 den Wasserläufer
 
 Er schwebt über das Od
 und stürzt nicht.
 
 
 
    
 
 Hiroshima
 
 
 Seinen Brenner hatte er dabei, und auf der
 Schubkarre lagen Teermatten. Der Tag
 versprach heiß zu werden, und wie die
 Sonne gleißte, so schien ein silberner
 Strich an diesem blauen Tag. Er hielt sich
 an der Leiter fest, dachte an seine Frau
 und das kommende Kind. Der helle Faden
 verlor etwas, und es blühte auf wie eine
 weiße Lilie an diesem Morgenhimmel.
 Fasziniert beobachtete er jenes Rätsel,
 wie es tiefer sank, langsam und sacht.
 Es stand über dem Kirchturm der Stadt,
 als die Madonna die Hände öffnete. Eins
 wurde er mit dem weißen Licht und schmolz
 dahin. Ein Schatten am Schuppen gebar sein
 neues Wesen, und das Licht verstrahlte
 in einem gloßenden Pilz.
 
 
 
    
 
 Trink mich aus
 
 
 Dein Weg durch die Wiesen
 erreicht mich
 Wo Du zu mir stehst.
 An weißen Säumen
 verfangene Kletten
 Oh Mädchen so halte mich
 Weiße Hyazinthen strahlen
 in göttlichem Licht
 Dein schwarzes Haar
 gesäumt durch Wassergeister
 So trink mich aus.
 
 
 
    
 
 Kornblumen
 
 
 Die blauen Kornblumen in Deiner Hand
 verzehren Dich wie die Sonne den Himmel
 Gib mir Deinen Sonnenuntergang
 wir werden Sterne, liebe mich.
 
 
 
    
 
 Sensa madre
 
 
 Die Zeit bleibt stehen.
 Die Sterne drehen sich
 noch einmal, zuletzt.
 Die Nacht ummantelt,
 was sich Leben nennt.
 Sonne war, was nicht mehr brennt.
 So öffnet sich das Tor
 ein Tag ohne Wiederkehr
 Du kehrst nicht zurück.
 Hätte ich Dich einmal gedrückt,
 als noch Zeit war.
 So bin ich zuletzt,
 der, der nach Dir war.
 Ade, meine Sonne
 Schreite voraus
 in das Land ohne Zeit,
 in der jeder einmal
 übrigbleibt.
 Wenn Du gehst -
 ich folge Dir.
 Frag mich nicht
 nach meinen Wegen
 wir werden uns
 begegnen.
 
 
 
    
 
 Ein Besuch
 
 
 In der Zeit
 so viele Tiefen
 Untiefen.
 Darum stehe ich hier.
 Ich komme zu Dir.
 Ich geb Dir meine Hand
 für eine Woche
 und einen Tag.
 Frag mich,
 ich frag Dich
 ein letztes Mal
 und die letzten vielen Tage
 rinnen durch unsere Hände
 ringen wir unsere Hände
 Um ein besseres Verstehen.
 Zuletzt versteht man sich nicht
 Ganz zuletzt - doch
 Geb ich Dir ein Verstehen.
 
 
 
    
 
 Noch einmal beschämt
 
 
 Du hast einmal kleine Samen gesät.
 Sie perlten in die offene Rinde dieser Erde
 erhoben sich, wachsend und zweifelnd zugleich
 Ein stetiger Regen füllte die Krumen
 Unsere Blumen, sie erstanden aus Staub.
 In Deinem Staub werden wir weiter bestehen,
 lass Du Deine Asche vorüberwehen.
 Wir trinken Dein Leid.
 Und tragen es aus.
 
 
 
    
 
 Mein Vater
 
 
 Dein Mann liegt in meinen Worten.
 Durch meine Hände küßt er Dich.
 Mit meinen Augen schaut er Dich an
 durch mich, den ich nicht begreifen kann.
 Jede Linie meiner Hand trägt seine Zeichen
 Mein Mund ist die Rose in seinem Frack,
 die Du einmal gesehen. Vergangen
 ist dieser Tag, als er einmal Ja sagte
 und Dich meinte. Ich sage Ich bin da
 und meine Dich.
 
 
 
    
 
 Mutter
 
 
 Ich nähr Dich mit meinen Tränen
 meinen Händen und Blicken.
 Ein Schluchzen reicht Dir
 das Wasser des Lebens.
 Du hast es mir gegeben
 ich geb es Dir zurück.
 Könnte die Zeit
 einmal, einmal
 Gnade schenken
 und Dir ein paar Jahre
 und die Kraft, noch mal
 jung zu leben und zu bestehen.
 
 
 
    
 
 Brücke
 
 
 Brüchig die Brücke,
 die mich nicht trägt
 doch hält
 vor dem Strom
 in dem das Leben fließt
 Eintauchen möcht ich
 und sterben.
 Dann aber trägt die Brücke doch.
 
 
 
    
 
 Reh
 
 
 Reh im Aug.
 Und stolz die Gazelle
 Welle im Steppengras
 Behuft mit Sternen aus Onyx
 
 Einem Raunen des Mondes
 entsprungen
 da drängend dahin
 den Sternen geborgen, geborgt
 
 Schnuppe, Sternglas
 Hufglas, alswie Licht
 vom Nachtmeer
 weich Geflicht
 
 Galaxis, trink
 die Muttermilch
 birgt Dich wie
 Aphrodite
 
 
 Für Demez
 
 
  
 
   
 A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
 
  
 
     
  
       
 Am Fluß
 
 
    
 
       
 Brücke
 
 
    
 
       
 Der Wasserläufer
 
 
    
 
       
 Ein Besuch
 
 
    
 
       
 Florfliege am Main
 
 
    
 
       
 Glacis
 
 
    
 
       
 Herbst
 Hiroshima
 
 
    
 
       
 Inn-Drache
 
 
    
 
       
 Kein Wein wie in diesem Jahr
 Kornblumen
 
 
    
 
       
 Leben
 
 
    
 
       
 Mein Vater
 Mittsommernacht
 Mutter
 
 
    
 
       
 Nachts
 Noch einmal beschämt
 
 
    
 
       
 Reh
 Reif der Wein
 Rose
 
 
    
 
       
 Schwarze Scherben
 Sehnsucht
 Sensa madre
 So grau
 
 
    
 
       
 Taube
 Treppe zur toten Fähre
 Trink mich aus
 
 
    
 
       
 Was bewegt mich
 Wasser
 Weg nach Erlabrunn
 
 
  
 
   
 
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